Tag 1: Wie ich nach England kam - oder: Auf der falschen Strassenseite
Wales > Der Tag > Tag 1: Wie ich nach England kam - oder: Auf der falschen StrassenseiteIch kam mit dem Auto, das ist schon so eine Sache. Los ging's morgens um 9 in Giessen, ab auf die E40 und in Calais in den Zug und in England auf die Autobahn. Fertig. Oder doch nicht.
Fahren in Deutschland ist ja so schön geregelt. Wer darf was und was kostet was wenn man's misachtet. Aber im Ausland...
Los ging's da in Belgien: Auf der Autobahn waren "nur" 120 km/h erlaubt. Rechts fahren und blinken nicht vergessen, also wie in Deutschland. Kritisch wird's dann erst, wenn ich versuche, einen Bus zu überholen und mit 130 Mühe habe, vorbei zu ziehen. Oder der Type von der Tanke: gleich von der Tanke runter auf die ganz linke Spur und dann weg. Blinker: Keinen. Bremsen: Machen die anderen schon, die dem nicht reinfahren wollen. Die meistgesehene Automarke im Rückspiegel waren BMW, Mercedes und VW. Alles größere Modelle mit der Sonderausstattung "Regel-Befreit". Für die gilt halt das Speedlimit nicht, die drängeln auch noch bei 140. Lichthupe ist auch freigeschaltet und darf freizügig genutzt werden.
Ansonsten fällt auf, das überall die E40 richtig ausgeschildert ist. Nicht wie in Deutschland nur die nationale Autobahnnummer, nein, in Belgien brauchte ich keinen Atlas. Immer der grünen E40 folgen. Die Pisten sind meistens gerade durch die Landschaft gelegt, nur um Brüssel gibt's einen Ring. Alles andere ist vernachlässigbar. Zeitweise war neben der Autobahn die neue Hochgeschwindigkeitstrasse der Belgischen Eisenbahn zu sehen, aber da fuhr noch nichts, weil die Oberleitung noch fehlte.
Ganz nahtlos gings dann nach Frankreich rüber. Ein Schild und fertig war. Ab sofort nur noch Französich, was mir ja völlig unverständlich ist. Aber die paar Kilometer zum Tunnel gingen noch. Hinfahren, anstellen, Check-In mit der Kreditkarte, sofort richtig erkannt, "Rückspiegelanhänger" ausdrucken lassen, ab zum Zoll. Da erstmal auf die Seite fahren, Fragen beantworten:
Engländer (sinngemäß eingedeutscht und gekürzt): Hallo. Was wollen Sie in Großbritanien?
Ich: Studieren
E: Wo?
I: In Bangor.
E: Was studieren Sie denn?
I: Wirtschaftsinformatik.
E: Ham'se davon Unterlagen oder 'ne Wohnung.
I: Ja. Kram..such..wühl Hier.
E: Aha. Ja dann, guten Aufenthalt.
Das war die kleine Fragestunde. Nochmal Glück gehabt, das ich nicht mein Auto ausräumen musste. Also: Weiterfahren, nächste Kontrolle. Wo ist den Ihre Fahrkarte? Hier unten. Der "Rückspiegelanhänger", das Ticket, war vom Rückspiegel wieder auf den Boden gefallen. "M", meine Verbindung, geht erst in einer Stunde. Also weiter, um die Ecke, anstellen. Warten. Warten. Dann, 30 min vor Abfahrt, Schranke hoch, Ampel grün, in einer Reihe zum Zug gefahren.
Der Zug ist ein Doppelstock-Autozug, komplett geschlossen, aber mit Klimaanlage! Wie immer, ich bekomme einen Platz im Oberdeck. Rein in den Zug, Rampe hoch und ganz dicht hinter den Vordermann stellen, damit alle reinpassen. Ganz wichtig: Motor aus, Handbremse an und 1. Gang einlegen. Nach 15 Minuten gings dann los, durch ein kleines Fensterchen ein paar Bilder gemacht und dann ab in den Tunnel. Da noch nicht mal Zeit zum Schlafen gehabt, nach 35 Minuten pünklich in England am Bahnsteig angekommen. Türen auf und sofort rausgefahren. Während der Fahrt noch ein paar Bilder gemacht und schwupps war ich auf der Autobahn. Keine Chance, einen Parkplatz zu erreichen, um die weitere Strecke zu planen.
Daher gilt: Erstmal fahren. Speedlimit ist eigentlich 112 km/h, aber das interessiert keinen. Dafür gibt's hier das, was sich in Deutschland alle wünschen: eine freie linke Spur. Die war zwar eigentlich für die langsamsten Fahrzeuge gedacht, aber die fanden die 2. und 3. Spur interessanter. Die ganz rechte 4. Spur war dann Stau, weil alle überholen mussten. Irgendwann dauerte das dann zulange, und dann galt freie Fahrspurwahl. Jeder fährt wo er will und wie schnell er will. Also rechts und links wild überholen und sich verteilen. Naja. Dazwischen dann immer wieder ein paar Schnecken, nein, nicht die Süßen, sondern die Langsamen. Die dann aber zufällig auf jeder Spur. Müssen halt umfahren werden.
Langsam wurde es dann dunkler und ich wurde müder. Schlafen. Wo? Bei Bed&Breakfast. Runter von M4, erster Rastplatz. Massen-B&B, Zimmer ab 54 Pfund, direkt neben der Autobahn. Das muss ja nicht sein. Weiter. Gleiches Spielchen nochmal. Nee. Weiter nach Newbury, einfach mal im Pub nachfragen. "Ja, wir haben hier so ein Hotel..." Scheidet aus, weil noch teurer. Wieder weiterfahren. Roundabout (Kreisverkehr) und noch einer und noch einer. Wo bin ich? Egal. Weiter. Kreuzung mit Ampel. Sowas haben die hier auch? Wieder Richtung Innenstadt, diesmal durch den Vorort. "Bed&Breakfast". Da isses! Links ran und hin und fragen. "No Vacany" - Nix frei. Aber: Da die Strasse hoch... Nee, der hat heute nich offen. Nächster Tipp: Strasse weiter runter. Da! Hin, fragen. Ja, aber teuer. Handeln. Okay, das geht. Wirklich billig ist es nicht, aber was solls. Weitersuchen geht nicht mehr, ich bin schon zu müde. Schnell gebucht, Zimmer zeigen, WLAN beantragen. Quartier beziehen, Mails checken. Bericht schreiben. Fertig.
Ab in's Bett. Morgen wieder früh raus, weil ich ja noch weiter muss.
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