Tag 57: Burg und Salz - oder: Im tiefen England
Wales > Der Tag > Tag 57: Burg und Salz - oder: Im tiefen EnglandSamstag, 18. November 2006
Heute war wieder einmal eine große Tour angesagt. Das Problem war nur: Wohin fahren? Hier in Wales hat man nämlich beschlossen, dass alle Castles und was man sonst noch so im Angebot hat, spätestens zum 1. November geschlossen werden müssen. Somit haben nur noch die Shopping-Center geöffnet, die aber natürlich keinen historisch-kulturellen Wert haben. Die einzige Möglichkeit, doch noch etwas Kultur zu bekommen ist dann eine Auswanderung. Und genau das habe ich gemacht. Zusammen mit einer Mitfahrerin habe ich Wales für einige Stunden verlassen und mich nach Osten begeben. Nach etwas über einer Stunde auf einem gut ausgebauten Feldweg, ähh… ich meine natürlich auf einer Autobahn, haben wir dann England erreicht. Der Bezirk Cheshire liegt direkt neben Wales, hat aber den Vorteil, dass die Engländer auch im Winter mit Touristen rechnen und daher alle Museen noch geöffnet haben.
Ursprünglich waren 3 unterschiedliche Ziel ausgesucht, um für jedes Wetter eine Möglichkeit offen zuhaben. Nachdem wir also Wales im Regen verlassen haben und nach England geflüchtet waren, schien dort als Willkommensgruß die Sonne mit ihrer ganzen Kraft. Leider konnte sich nicht verhindern, dass eine steife und kalte Brise wehte. Das wiederum hat uns nicht von dem Vorhaben abgebracht, Beeston Castle zu besuchen. Das Castle, oder was noch davon übrig ist, findet man auf einem 100 Meter hohen Sandsteinblock, der zufällig in England geblieben ist. Die gesamte Umgebung ist Flach, nur im Süden dieser Hügel. Strategisch Klug baute man im 12. Jahrhundert das Castle oben auf ein Plateau. Heute sind nur noch die Außenmauern übrig, dafür kann man sich aber die gesamte Grafschaft Cheshire anschauen. Nachdem wir alle Teile des Castles inklusive der Ausstellung im Torhaus begutachtet hatten war entgegen der Berechnung erst der halbe Tag vergangen - wird doch im offiziellen Prospekt der Königlichen englischen Schlösserverwaltung von einer empfohlenen Besuchszeit von einem Tag gesprochen.
Was lag dann also näher, als sich das nächste Ziel in England vorzunehmen. Die riesige Talebene, die wir uns eben von oben angeschaut hatten ist gleichzeitig England größtes, weil einzige Salzabbaugebiet. Und wenn etwas einzigartig ist, gibt es dafür auch ein Museum. Das Salz-Museum in Northwich. Das Werbeprospektchen sprach von "liegt um die Ecke", der Atlas sagte 15 Kilometer, die Uhr zeigte anschließend eine Reisezeit von fast 40 Minuten an. Irgendwas kann da nicht stimmen.
Ist aber auch egal, immerhin haben wir es gefunden. Das Museum selbst ist in einem historischen Gebäude in der historischen Stadt Northwich untergebracht. Zuerst erklär ein Film in aller Ruhe und mit großem Ernst, dass das Salz unter einem im "Laufe von Jahrmillionen" entstanden ist. Wer's glaubt... Die restliche Ausstellung war mit solchen Zahlen dann etwas vorsichtiger und hat gute und interessante Einblicke in die Geschichte und kleinen Katastrophen gegeben. Im Ruhrgebiet weiß man beispielsweise, das man beim Kohleabbau einige Stützpfeiler stehen lassen muss, damit die darüber liegende Welt nicht zusammenstürzt. Die Engländer wussten das nicht und haben sich deshalb gewundert, warum immer mal wieder kleine und große Krater an der Oberfläche entstehen. Nachdem der ein oder andere Krater mitten in der Stadt erstmal das renommierte Hotel "geschluckt" hatte und einige der Läden in der Einkaufsstraße langsam in den Keller gerutscht sind, hat man den Ernst der Lage begriffen.
Zur Rettung der Stadt wurde die "Aktion Shoplifter" (eigentlich "Ladendiebstahl") ins Leben gerufen. Dazu wurden die Häuser einfach mit einer Art riesigen Wagenheber bis zu 3 Meter angehoben und haben einen weiteren Keller erhalten. Mit den alten Fachwerkhäusern klappte das ja ganz gut, aber wer damals Anfang des letzten Jahrhunderts eines der angesagten Backsteinhäuser sein Eigen nannte, hatte Pech gehabt. Die zerbrechen nämlich beim Anheben. Deshalb kann man die "Aktion Shoplifter" wörtlich übersetzten, was dann soviel wie "Geschäftsanhebung" bedeutet, im wahrsten Sinne des Wortes.
Die ganze Aktion ist im Museum reich bebildert, was die Sache sehr interessant macht. Die anderen Bereiche haben u.a. die Wichtigkeit der Wasserstraßen und Schifffahrt für die Salzindustrie zum Thema. Insgesamt hochinteressant gemacht.
In der einbrechenden Dunkelheit habe ich dann anschließend wieder versucht, den Weg nach Bangor zurück zu finden. Wenn man erst mal wieder eine der Autobahnen oder Schnellstraßen gefunden hat, ist das eigentlich kein Problem mehr. Ist doch überball auch die Region "North Wales" ausgeschildert. Problematisch wird das erst, wenn mal ein solches Schild fehlt und die Autobahn irgendwelche seltsamen Verläufe nimmt. In meinem Fall war es so, dass die Autobahn A55 abgebogen ist und die eigentliche Nebenstrecke geradeaus weiterging. Da die Briten aber auch auf der Autobahn Kreisverkehre haben, kann man solche Fehler schnell wieder korrigieren...
Und so sind wir bei einsetzendem Regen wieder gut in Bangor angekommen.
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